Generative KI im Finanzbereich: Herausforderungen und Chancen
Ein Impulsvortrag leitete die Diskussion über den Einsatz von Generativer KI (GenKI) im Finanzbereich ein.…
Vorbemerkung:
Board veranstaltet in unregelmäßigen Abständen virtuelle CFO Roundtables zu aktuellen Themen. Die Diskussionen werden nicht aufgezeichnet. Dadurch wollen wir gewährleisten, dass die Teilnehmenden ihre Erfahrungen und Meinungen frei austauschen können, ohne befürchten zu müssen, nicht autorisierte Aussagen über ihre Unternehmen zu tätigen, die dann später belegt werden könnten. Trotzdem möchten wir die interessantesten Erkenntnisse aus diesen Diskussionen gerne zusammenfassend darstellen. Die Aussagen werden nicht einzelnen Personen oder Unternehmen zugeordnet, sondern es steht der Inhalt der Aussagen im Mittelpunkt.
Spätestens seit dem Hype über ChatGPT ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in aller Munde. In den Unternehmen entstehen zunehmend KI-basierte Anwendungen. Vorreiter ist häufig der Service-Bereich, bei dem zunehmend Chatbots zum Einsatz kommen, die KI nutzen.
Wie aber sieht der Einsatz im Finanzbereich aus? Für welche Einsatzbereiche ist KI geeignet und wo liegen die Grenzen und die Schwierigkeiten?
Der Finanzbereich hat mit den Themen „Predictive“ und „Machine Learning“ bereits einige maschinell-geführte Anwendungen im Einsatz. Hier werden jedoch seit Langem bekannte statistische Methoden genutzt, also nicht KI im engeren Sinn. Der wichtigste Einsatzbereich ist dabei die Unterstützung beim Forecasting, um Genauigkeit und Qualität der Daten zu verbessern und den Aufwand zu reduzieren.
Einsatzbereiche von KI im Finanzbereich
Wo liegen die interessanten Use Cases im Finanzbereich, in denen KI den Unternehmen deutliche Vorteile bringt? Die folgenden Themen werden häufig genannt:
Schaut man sich diese Einsatzbereiche an, so erkennt man schnell, dass es oft um sprach- und textbasierte Themen geht. Klar, gerade das viel diskutierte ChatGPT stellt genau diese Anwendungen in den Mittelpunkt, nachdem es aus einer unglaublichen Menge von Texten gelernt hat. Die zahlenlastigen Kernthemen im Finanzbereich sind noch etwas außen vor. Denn dies sind auch die unternehmens- und erfolgskritischen Anwendungen im Finanzbereich, bei denen es eine Null-Fehler-Toleranz gibt.
Der textlastige Einsatz der KI spiegelt sich auch in der Praxis wider. „Wir planen gerade Projekte mit dem Einsatz von KI beim Finanz-Reporting sowie im Bereich ESG-Reporting. Außerdem möchten wir KI für das Durchsuchen und Analysieren von Dokumenten einsetzen“, berichtet einer der Teilnehmenden.
Für einige der Teilnehmenden war aber auch gerade die Planung ein Bereich für einen naheliegenden Einsatz von KI. „Planung ist per se immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet und kann mithilfe von KI sehr viel agiler gestaltet werden, ohne den Aufwand erhöhen zu müssen.“
Es gibt aber auch einige überraschende und mutige Projekte, die ganz bewusst die Grenzen der KI ausloten. „Wir haben ein Projekt im Bankenbereich begleitet, mit dem Ziel, Wettbewerbsvorteile durch disruptives Denken zu generieren. Es wurde immer das Gegenteil von dem gemacht, was die KI vorgeschlagen hat. In entsprechenden Simulationen haben wir dann geschaut, welche Auswirkungen und Ergebnisse diese unkonventionelle Vorgehensweise bringen würde, z.B. im Bereich von Anlagefonds“, erzählt ein Teilnehmer.
Ein weiteres Einsatzfeld sahen die Teilnehmenden beim Thema Investor Relations, da hier sowieso keine vertraulichen Informationen herausgegeben werden dürfen. Denkbar wäre es somit, Finanzinformationen für Investoren per Sprach-Engine zur Verfügung zu stellen. Auf der Seite der Banken steht dann ebenfalls eine Sprach-Engine, die dann die Informationen analysiert und entsprechende Kauf- und Verkaufsempfehlungen gibt.
Grenzen, Schwächen und Gefahren der KI
Sehr interessant ist, wo die Teilnehmenden die Hindernisse für den Einsatz von KI im Finanzumfeld sehen. „Die Ergebnisse müssen natürlich intern bleiben. Sie dürfen nicht wieder für das weiterführende Training der KI herangezogen werden“, forderte ein Teilnehmer. Allerdings sichern Dienste wie Microsoft Open AI, die über Azure Services angeboten werden, inzwischen schriftlich zu, dass die Daten geschützt sind und nicht nach außen gelangen. Das spezielle Training der KI mit Inhouse-Daten und das sichere Einkapseln der Daten sollte in Zukunft zu den Standardangeboten gehören.
Andere Gefahren liegen darin, dass die KI möglicherweise Antworten auf die ihr gestellten Fragen erfindet. „Dies war eine der am häufigsten festgestellten Probleme mit ChatGPT, das mit dem Fachwort „Hallucinations“ beschrieben wird. Gerade bei Business-Anwendungen muss ich mich darauf verlassen, dass die Auskünfte eine reale Basis haben. Dies hat direkt mit der zweiten Schwäche der aktuellen KI zu tun, nämlich das sogenannte „Blackboxing“. Es ist nicht transparent, wie Ergebnisse und Antworten zustande kommen. Zudem sind sie häufig nicht reproduzierbar. Diese beiden Schwächen bilden derzeit tatsächlich noch hohe Hürden, um KI in geschäftskritischen Anwendungen einzusetzen“ führte einer der Teilnehmenden weiter aus.
Die nahe Zukunft der KI
In einem Punkt sind sich aber alle einig: Der Einsatz von KI wird in den Unternehmen stetig zunehmen. Es kommen neue Anwendungen und Programme, die KI nutzen. Dabei wird es viele branchen- oder funktionsspezifische Modelle geben, die gezielt mit internen oder Branchendaten trainiert werden und die so in immer mehr Bereiche vordringen kann. Allerdings wird erwartet, dass die Produkte schnell „Commodity“ werden. Dann wird sich der Wettbewerbsvorteil nivellieren, den die Unternehmen aus den Anwendungen ziehen können, weil alle darauf zugreifen können. Das bedeutet auch: Der wichtigste Wettbewerbsvorteil liegt nach wie vor in den eigenen Daten!
Wichtig bleibt die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen. Unstrukturierte Daten, wie Text, werden mit KI greifbarer und können mit deutlich geringerem Aufwand eingebunden werden. Im zahlengetriebenen Finanzbereich bleibt es entscheidend, die Datenqualität hochzuhalten, egal ob die Daten von künstlicher oder menschlicher Intelligenz analysiert werden.
Die Teilnehmenden haben aber auch konstatiert, dass KI kein Horrorszenario ist. Es ist immer noch der Mensch, der Entscheidungen fällt und die Marschrichtung vorgibt. Umso besser, wenn ihm KI dabei hilft. Oder wie ein Teilnehmer feststellt: „Die Humane Intelligenz reflektiert sich antizyklisch. Sie kommt also mit ganz neuen Ideen daher, die mir die KI (noch) nicht liefern kann.“
Sie möchten mehr wissen zum Thema KI? Unser Experte Tim Lindemann erklärt KI sehr anschaulich in diesem Video.